FEMALEMAKERS SERIE SOMMELIÈREN

SHARIN POLTE. RESTAURANT FAELT*. BERLIN.

Ein Portrait von Monika Ebert ©Bild ©Text.

FEMALEMAKERS SERIE SOMMELIÈREN: Sharin Polte, Chef-Sommelière des Restaurants FAELT* Berlin während ihrer Arbeit.

FEMALEMAKERS SERIE SOMMELIÈREN: Sharin Polte, Chef-Sommelière des Restaurants FAELT* Berlin während ihrer Arbeit.

 

Sharin Polte hat dieses strahlende Lächeln, das selbst bei unserem Treffen im digitalen Raum überspringt. Aber das ist nur der Punkt auf ihrem “I”. Die Chef-Sommelière des Restaurants FAELT* in Berlin-Schöneberg hat mit Kompetenz und Passion eine neue, für diesen Ort und seine Speisen punktgenaue Weinkarte geschaffen. Animierend in der Auswahl, gelungen in der Mischung aus bekannten Größen wie z. B. Fritz Haag (Mosel) oder Van Volxem (Saar) und kleinen Perlen wie dem Wachau-Weingut von Martin Muthenthaler oder Flaschen aus der BEE-Kollektion von Timo Dienhardt, ebenfalls Mosel. In ihrer bewussten Reduktion auf “nur” 60 Positionen, verbunden mit der Option für die Gäste, alle Weine auch glasweise zu bestellen, steht Sharin Poltes aktuelle Weinwelt komplett zur Verkostung offen. Das ist nicht nur im Sommer auf der idyllischen Terrasse unter kühlem Baumgrün ein echtes Highlight.

Am Anfang war der Bodensee.

Begonnen hat der gastronomische Weg der heutigen Sommelière, Jahrgang 1995, in einem kleinen Fischrestaurant in Überlingen am Bodensee. Dort ist die gebürtige Düsseldorferin auch aufgewachsen. Der Grund für diesen ersten Job in der Gastronomie war schlicht, die Taschengeld-Kasse aufzubessern. Nach ihrem Realschulabschluss wusste Sharin Polte wie viele junge Erwachsene nicht genau, was sie beruflich machen möchte. Sie hatte sich in vielem ausprobiert, aber keine wirkliche Richtung gefunden. Da ihr die Arbeit im Service Spaß machte, entschloss sie sich zu einer Ausbildung im Hotel- und Gaststättengewerbe, da war sie 17 Jahre. Das “Heinzler am See” in Immenstaad, ein großer Familienbetrieb mit Restaurant und Hotel, “gutbürgerlich”, so Sharin Polte, wurde ihr erster gastronomischer Hafen. Wie fast alle Angestellten in diesem Gewerbe arbeitete auch sie sehr viel, natürlich auch an den Wochenenden, und so konnte sie kaum ausgehen, hatte neben der Gastronomie nur wenig Privatleben. “Die Gastronomie war mein Kern”, so Sharin Polte im Rückblick auf die Ausbildungszeit.

Erste Weinmoves.

Zum Wein kam Sharin Polte durch den Sommelier des “Heinzler am See”. Die beiden verstanden sich sehr gut, er nahm sie in den Mittagspausen manchmal zu Weinverkostungen mit, vermittelte ihr grundlegendes Weinwissen und lehrte sie, Weine strukturiert zu verkosten. 2015, mit 20 Jahren, schloss sie ihre Ausbildung dort ab und hatte den Wunsch nach einem deutlichen Wechsel. “Ich wollte mehr, ich wollte an einem Ort arbeiten, der mehr Bedeutung hat”, so Sharin Polte. Der Ehrgeiz hatte sie gepackt und sie bewarb sich erfolgreich im damaligen Sterne-Restaurant Casala des „Romantik Hotel Residenz am See“ in Meersburg. Dort arbeitete Sharin Polte erneut mit einem renommierten Sommelier zusammen, der das junge Team vor Ort “immer an die Hand genommen hat”, wie sie es ausdrückt. Gemeinsam besuchten sie Weingüter, erhielten die Chance, selbstständig Weinentscheidungen zu treffen und gewannen durch dieses Training an Kompetenz und Erfahrung. Diese beiden Sommeliers waren für Sharin Polte die Menschen, die sie zu Beginn ihrer Weinlaufbahn am meisten prägten und ihr den Zugang zur Weinwelt eröffneten.

Einschnitt. Bewegung. Sommelière.

Nach dem Tod ihres Vaters 2017 wollte Sharin Polte die Bodenseeregion verlassen, sie wollte weg, in eine Großstadt. Schon immer von Berlin angezogen, fiel ihre Entscheidung auf die kreative Metropole, in der bereits einige ihrer Freund*innen vom Bodensee lebten. Trotz vieler Bewerbungen in der Hauptstadt fand sie keine adäquate Position in der Sternegastronomie. Sharin Polte startete in Berlin mit einem Jahresvertrag im Restaurant Duke des Ellington Hotels als Chef de Rang. Ein Ort ohne Stern, aber “mit einem tollen Team”, so die heutige Chef-Sommelière.

2019 war Sharin Polte während ihrer Arbeit im Duke für zwei Wochen Praktikantin im berühmten Restaurant Atelier*** von Jan Hartwig im Bayrischen Hof in München. Dort wurde ihr wieder bewusst, wie sehr ihr die Sternegastronomie fehlte: die andere Atmosphäre, das Plus an Zeit, mit dem sich der Service seinen Gästen widmen kann und vieles mehr. Sharin Polte wollte zurück in den Sternebereich, bewarb sich erneut und bekam eine Position als Chef de Rang im renommierten Restaurant Horvath** in Berlin. Berufsbegleitend begann sie ihre Weiterbildung zur Sommelière und wurde bereits vor Abschluss dort Commis Sommelière. Es folgten ab März und ab November 2020 die Pandemie-bedingten Lockdowns, später eine längere Renovierungsphase im Horvath.

Und dann kam der Anruf von Björn Swanson, Chef des Restaurants FAELT, den sie bereits aus anderen Zusammenhängen kannte, mit dem Angebot, dort Chef-Sommelière zu werden. Sharin Polte nahm die Aufstiegschance mit Freuden an und betont, dass die Zeit im Horvath mit dem dortigen Team für sie großartig war.

Chef-Sommelière + Gastgeberin.

Credo der Chef-Sommelière beim Thema Wein: “Wein ist Kultur. Wein sollte nicht kompliziert gemacht werden. Nicht elitär sein. Wein soll verbinden. Er soll Freude machen.” Das möchte sie vermitteln.

FEMALEMAKERS SERIE SOMMELIÈREN: Sharin Polte vor dem Restaurant.

FEMALEMAKERS SERIE SOMMELIÈREN: Sharin Polte vor dem Restaurant.

Sharin Polte glaubt, dass die Gastronomie, auch bedingt durch den Einschnitt der Pandemie, wieder mehr darauf achtet, dass im Zentrum des Business das Erlebnis der Gäste steht: “Wir machen unseren Job, weil wir den Gästen schöne Erlebnisse bereiten möchten und nicht, weil wir uns selbst so toll darin finden, was wir bereits alles probiert und getrunken haben und wie gut wir uns auskennen.” 

Sie persönlich ist “für ihr Leben gerne” Gastgeberin und brauchte, wie viele andere auch, sehr lange, um zu begreifen, dass dieses besondere Talent eine wertvolle Facette ihres Kompetenzspektrums darstellt.

Angehenden Sommelièren rät sie, nicht mit dem überhöhten Anspruch zu beginnen, alles bereits direkt nach der Ausbildung wissen zu müssen: “Es wird immer jemand geben, der bereits mehr probiert und getrunken hat, mehr Wissen hat.”

Wein + Food: Pairings.

An der Entwicklung von Sharin Poltes Weinbegleitung zu den Gängen des FAELT-Menüs ist das gesamte Team beteiligt. Grundlage für ihre Pairings sind umfangreiche, schriftlich ausgearbeitete Briefings von Küchenchef Björn Swanson, die sämtliche Ingredienzen, Aromen, Konsistenzen und Garmethoden der einzelnen Gänge enthalten.
Die Chef-Sommelière hat den Anspruch, dass sich das gesamte Team mit ihren Pairings identifizieren kann. “Ich sitze nicht auf einem hohen Ross, wenn es um Wein geht”, sagt sie, gefragt nach ihrer Einstellung zu Diskussionen im Rahmen des Entwicklungsprozesses. Genau dieses Teamplay ist es, das sie an ihrer Arbeit in der Gastronomie so schätzt, vor allem in kleinen Teams wie dem des FAELT. Die gegenseitige Inspiration der einzelnen Teammitglieder führt ihrer Meinung nach zu den besten Ergebnissen.

Sharin Poltes Weine.

Ganz persönlich ist Sharin Polte ein Fan komplexer Chardonnays, liebt aber ebenso filigranere Mosel Rieslinge. Am wichtigsten ist ihr, für alles Neue offen zu sein und zu bleiben. Das Weinherz der Chef-Sommelière liegt in der Bodenseeregion. Auf ihrer Weinkarte finden sich beispielsweise das Weingut Aufricht, das sie von Kindesbeinen an kennt, oder aber das Weingut Kress, bei dem sie während ihrer Ausbildung zur Sommelière ein Praktikum absolvierte. Nach dem Einfluss gegenseitiger Sympathien zwischen Winzer*innen und Sommeliers | Sommelièren bei der Weinauswahl gefragt, bestätigt Sharin Polte, dass – wie in jedem Business – neben den fachlichen und gustatorischen Aspekten auch hier das Persönliche eine wesentliche Rolle spielt. Nur wenn beides stimmt, findet ein Wein Platz auf ihrer Karte. Zu allen Winzer*innen der aktuellen FAELT-Weine habe sie oder ein anderes Mitglied des Teams eine persönliche, oft bereits jahrelang bestehende Verbindung.

Seit circa zwei Jahren schreibt Sharin Polte ihre Notizen zu jedem Wein, den sie verkostet, in ein Buch. Analog. Die aktuelle Weinkarte hat sie zusätzlich komplett digital ausgearbeitet, damit das gesamte Team auf ihr Wissen über die einzelnen Posten zurückgreifen kann.

Ihren privaten Weinkeller, den die Sommelière auf circa 100 Flaschen schätzt, hat sie teils bei Freunden, teils zu Hause in ihrer Berliner Wohnung und zu einem kleinen Teil in  ihrem Elternhaus untergebracht.

Auch wenn Sharin Polte mir zu verstehen gibt, dass sie sich vorstellen kann, sehr lange im FAELT zu bleiben, frage ich sie nach ihren Zukunftsplänen. “Sich mit einer kleinen Weinbar irgendwann selbstständig machen, gemeinsam mit einem Freund. Die Bilderrahmen sind bereist ausgesucht”, meint sie dazu lächelnd. Wo? Natürlich in Berlin. Aber vorher möchte sie auf jeden Fall noch für ein halbes Jahr nach New York. Da bleibt für Berlin nur zu hoffen, dass sich die Chef-Sommelière für ihre Weinbar in ferner Zukunft nicht doch noch für den Standort New York entscheidet.

Instagram @sharin.polte
#FEMALEMAKERSDOTNET

FEMALEMAKERS SERIE SOMMELIÈREN: Sharin Polte im Restaurant FAELT.

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Rezept + Weinbegleitung

Original Zwiebelbutter à la Björn Swanson.

„Wir brauchen: 300 g Butter, 100 g Zwiebeln, 15 g Salz. Zwiebeln in feine Streifen schneiden und in einem Topf braun rösten. Butter dazu und alles schmoren – ca. 1 Stunde, damit das Ganze richtig schön den Flavour aufnimmt. Dann schnappt man sich einen Mixer oder am besten einen Blender, also keinen Zauberstab. Einmal alles gut durchmixen, danach stellt man das Werk über Nacht in den Kühlschrank. Am nächsten Tag kommt alles in eine KitchenAid oder man nimmt einen Teigrührer und schlägt die Butter (natürlich, wenn sie bereits ein bisschen temperiert ist) schaumig. Anschließend mit Salz abschmecken. Ready to go! Zwischendurch flitzt ihr mal schnell zu Domberger (= handwerkliche Berliner Bäckerei) rüber und holt euch die wunderbare Kümmelseele. Die passt einfach unheimlich gut zu unserer Zwiebelbutter.

Weinbegleitung Sharin Polte.

Dazu trinken wir ein Glas oder direkt das ganze Fläschchen (was soll der Geiz?) 2016 Ritterpfad Riesling Kabinett vom grandiosen Saar-Weingut Van Volxem. Eigentlich bin ich nicht unbedingt der größte Fan restsüßer Weine, aber für dieses schöne Tröpfchen kann auch ich mich absolut begeistern. Wir haben eine perfekte Balance zwischen einer leichten Reife, eleganter Süße, die absolut unaufdringlich daherkommt, und einer typischen Riesling-Säure, die sich auch nach Jahren toll durchgesetzt hat. GeFAELT mir! In diesem Sinne: Lasst es euch gut gehen, Cheers!“