Eva Vollmer. Winzerin. Rheinhessen.
Eva Vollmer ist Bio-Winzerin und -Landwirtin in Rheinhessen, Mainz-Ebersheim.
Ein Portrait von Monika Ebert ©Bild©Text.
FEMALE MAKERS: Eva Vollmers Weine tragen von der Winzerin selbst getextete Weinbeschreibungen auf den Etiketten.
Gründung mit zwei Stahltanks.
Ein eigenes Weingut – diese Idee hatten Eva Vollmer und ihr Mann bereits seit einigen Jahren. Nur ob, wie und wann wirklich anfangen? Die Initialzündung kam an Weihnachten 2006. Beide gaben ihr definitives “Ja” zur Weinproduktion unabhängig voneinander, aber gleichzeitig: Jeder schenkte dem anderen (s)einen ersten Edelstahltank. Im ersten Jahr produzierten die beiden nur etwa 4000 Flaschen, aus einer kleinen Rebfläche, die ihnen der Vater zum Experimentieren gab. Der erste Wein kam so gut an, dass das Ehepaar ein Jahr später als Winzer durchstartete. Ihre Basis: ein landwirtschaftlicher Gemischtbetrieb mit Weinbau, Familienbesitz, in Rheinhessen, genauer Mainz-Ebersheim. Dort ist Eva Vollmer, Jahrgang 1982, aufgewachsen. Tochter Eva Vollmer machte zunächst eine Ausbildung zur Weinküferin. Im Anschluss absolvierte sie ein Weinbau-Studium an der renommierten deutschen Wein-Universität Geisenheim, das sie 2007 abschloss und mit einer Promotion über “Pflanzenschutz im Steillagenweinbau” veredelte. Ein halbes Jahr Aufenthalt in den Weinbergen Kaliforniens erweiterten ihr Know-how.
Generationenwechsel.
2007 haben Eva Vollmer und ihr Mann die 11 Hektar Weinparzellen des elterlichen Betriebs komplett übernommen. Weinbau hatte bis zu ihrem Einstieg im Betrieb einen geringeren Stellenwert, Vater Vollmer verkaufte seine Trauben noch an eine Winzergenossenschaft. Der “riskante Schritt vom Traubenablieferer zum Produzenten und Selbstvermarkter war nicht einfach”, so Eva Vollmer. Von Null an bauten die beiden das gesamte Unternehmen auf: Gebäude wurden umgebaut, eine Vinothek neu errichtet, sie etablierten Kellertechnik, landwirtschaftliche Ausrüstung, zudem Büro, Vertrieb und Marketing. 2010 wurden Eva Vollmers Weine im Gault Millau bereits als Entdeckung gefeiert. 2017, das offizielle Jahr der Rente des Vaters, übernahm das Paar den kompletten landwirtschaftlichen Familienbetrieb mit gesamt 97 Hektar, davon 86 Hektar Landwirtschaft.
Ökologischer Anspruch:
Vorbild + Vorbilder.
Bereits bei Übernahme der Weinberge 2007 fiel die Entscheidung, diese ökologisch zu bewirtschaften. Später sollte die gesamte Landwirtschaft des Guts als ganzheitliches ökologisches System erhalten werden. Die Rebflächen sind seit 2007 Bio-zertifiziert, die gesamten Flächen seit 2017. Im Raum Mainz ist Eva Vollmer Pionierin im Öko-Weinbau gewesen. Diese Pionierarbeit wurde zu Beginn oft belächelt, sagt sie. Heute baut die Winzerin neben Wein auch Getreide an, hat eine Voltigieranlage mit 14 Pferden und arbeitet mit Imkern zusammen. Kreislaufwirtschaft als Grundidee prägt das ökologische Denken und Handeln im gesamten Betrieb. Wo immer im Unternehmen möglich und wirtschaftlich machbar, werden zudem umweltfreundliche und nachhaltige Optionen ausgeschöpft. Die Kartonagen des Weinguts sind beispielsweise aus recycelten Materialien ohne Klebung – auch wenn das wesentlich teurer ist.
Der Bio-Weinbau bringt jährlich mittlerweile 50.000 Flaschen: Weine, aber auch Winzersekt. Eva Vollmer war die erste Frau in Rheinhessen, die ihrem Weingut den Namen gab, sichtbar auf jeder Flasche. Aus ihrer Feder stammen auch die wunderbaren Weinbeschreibungen der Etiketten. Da gibt es die “dicke Burgunder Berta”, einen opulenten, feinperligen Weissburgunder Sekt. Oder den “Dorn to be wild” – einen Dornfelder Rosé, den sie mit der Zeile einführt “Unser Dornfelder Rosé ist nichts für "Warmduscher! Ist er zu wild – bist du zu brav".
Als ein Vorbild nennt Eva Vollmer den Öko-Winzer Arndt F. Werner aus Ingelheim, ursprünglich Geologe von Beruf und ein Pionier unter den ökologischen Winzern. In ihrer Ausbildung wurde Eva Vollmer noch gegen den ökologischen Weinbau belehrt, “das taugt nichts” hieß es. Ihr Jahrgang an der Wein-Universität in Geisenheim war der erste, in dessen Studienangebot sich eine Vorlesung zum Thema Ökologie fand – das war zu Beginn der 2000er-Jahre. Davor gab es lediglich kleinere universitäre Öko-Projekte.
Eva Vollmers WEINE.
Reben + Vielfalt.
Das Schöne an Rheinhessen ist, wie Eva Vollmer meint, “dass jeder eine bunte Palette” an Weinreben anbaut. Auf die Frage, was sie am liebsten trinkt, hat sie daher keine Antwort, sie liebt genau diese Vielfalt. “Im Endeffekt fühle ich mich weiß”, sagt die Winzerin – sie möchte hauptsächlich Weißweine machen, auch wenn Rotweine für sie “die kleinen Stars sind”. Aktuell hat sie die ehemals 20 Rebsorten auf 7 reduziert. Die Reben waren zum Zeitpunkt der Übernahme teilweise über 20 Jahre alt, die Lagen klug bestückt, wie sie sagt – Rieslinge standen bereits an passenden Rieslinglagen, im Süden wuchs der Spätburgunder – gute Startbedingungen also. Manche Rebsorten entfernte sie, wie beispielsweise den Bacchus, andere kamen neu dazu, wie Souvignier Gris oder Roter Riesling. Ersterer ist mittlerweile einer ihrer Lieblingsweine, eine Züchtung mit “Abwehrkräften gegen die Launen der Natur und schmeckt dabei auch noch unverschämt gut”, so Eva Vollmer. Beim Roten Riesling, einer ehemals verschollenen historischen Rebsorte, die sehr gut zu den Bedingungen vor Ort passt, spielte ihr der Zufall in die Hände – ein Freund machte sie darauf aufmerksam. Aktueller Bestseller des Weinguts ist der Spätburgunder, weiß gekeltert, feinherb. “Das ist so einer, der geht immer”, erzählt Eva Vollmer und lacht dabei. “Der macht total selig. Die Säure ist nicht zu stark, der geht zu einem schönen Stück Käse genauso wie auf der Sonnenterrasse. Er kann Trocken- wie auch Feinherb-Trinker gleichermaßen verwöhnen.”
Wein. Acker. Inspiration.
Grundlage aller Entscheidungen der Winzerin beim Auf- und Ausbau des Weinguts wie auch der Landwirtschaft sind ihr fundiertes Wissen, ihr großer Erfahrungsschatz, aber immer auch ihr Netzwerk aus Winzer*innen, Landwirt*innen, Unternehmer*innen, Freund*innen, ehemaligen Studienkolleg*innen. Eva Vollmer ist neugierig und zupackend, inspiriert sich und andere, lässt sich aber auch inspirieren. Neugierde und Offenheit machen die Unternehmerin im Gespräch so angenehm, man spürt ihre kreative Power. Eva Vollmer weiß was sie will, ohne dabei engstirnig zu sein. “Ich habe mich oftmals intuitiv von dem, was das Leben so bringt, leiten lassen. Also ohne zu sagen, ich muss das oder jenes jetzt unbedingt als Nächstes machen. Das ist alles aus einer logischen Konsequenz entstanden ... Die Chancen tun sich auf und ich muss dafür sorgen, dass ich die richtigen ergreife.” So war das z.B. auch bei ihrer Doktorarbeit, die an sie herangetragen wurde. Eva Vollmers Marketing findet “direkt aus den Weinbergen” heraus statt und es ist ihr Ziel, sich selbst und ihre Produkte so darzustellen, wie sie wirklich sind. “Die Richtigen werden mich dann finden” – so Eva Vollmers Haltung. Der Erfolg gibt ihr Recht.
Klima + Klimawandel.
Der Weinbau ist, so die Winzerin, im Gegensatz zur klassischen Landwirtschaft extrem abhängig vom Klima und dessen Veränderungen. Langfristige, vorausschauende Planung ist das A und O. Jeder Rebstock ist eine Entscheidung für die nächsten 30 bis 40 Jahre. Rebkulturen, die sie als Winzerin heute pflanzt, müssen für die nächste Generation tragen, das ist ihr ein wichtiges Anliegen beim Ausbau der Weinberge. Aufgrund der ökologischen Ausrichtung spielen bei der Sortenplanung von Eva Vollmers Weinbergen pilzresistente Rebsorten eine entscheidende Rolle. Die Unternehmerin muss zudem bei Neupflanzung auch zukünftige Entwicklungen ihrer Weinlagen mitdenken. Wie werden sich beispielsweise ihre Südlagen bei zunehmender Hitze entwickeln? Auch das ein wichtiges Kriterium in der Anbau-Strategie. Dass jede neue Rebsorte eine andere, neue Vermarktung bedingt, ist ein weiterer Aspekt, den es bei ihrer Rebauswahl zu bedenken gilt.
Marketing + Vertrieb.
Kund*innen von Eva Vollmer Weine sind zu 80% Privatkunden. Die restlichen 20% teilen sich Gastronomie und Handel. Durch diese Struktur hat das Marketing des Weinguts noch eine sehr persönliche Komponente – die Winzerin verkauft viel “Aug in Aug”, wie sie das nennt. Neben diesem Verkauf auf hauseigenen Veranstaltungen und direkt vom Hof versendet Eva Vollmer ihre Weine deutschlandweit. Die Vermittlung eines “umfassenden Weinerlebnisses” ist der Winzerin sehr wichtig – ob im Rahmen ihrer besonderen “Dunkelverkostungen”, oder aber digital in ihrer interaktiven “Winzersprechstunde” auf YouTube. 2015 wurde der Ausbau des Guts-eigenen Veranstaltungsortes, der “KOSTBAR”, fertig gestellt. Kein “teurer Stararchitekten-Showroom” wie auf anderen Weingütern, sondern ein feines Kleinod, das den für Eva Vollmer so wichtigen Bezug zur Natur herstellt. Die “KOSTBAR” öffnet mit ihrer Fensterfront den Blick direkt auf den ökologischen Hofgarten des Weinguts. “Der beste Architekt ist die Natur”, so eine von Eva Vollmers Leitideen.
Das Unternehmen
Eva Vollmer Weine.
Aufbau + Herausforderungen.
Herausforderungen beim Unternehmensaufbau von ´Eva Vollmer Weine´ gab es einige, so die Unternehmerin, da der Winzerbetrieb von Null an aufgebaut wurde und sich in nur 10 Jahren rasant entwickelte. “Sie kamen schubweise”, die Herausforderungen, sagt sie. Nach ihrer größten gefragt, nennt Eva Vollmer die finanzielle: “Es gab finanzielle Einbrüche, die mich deswegen wie ein Schlag getroffen haben, da ich keine Buchhalterin und in diesem Bereich nicht ausgebildet bin, und von jetzt auf gleich eine existenzielle Bedrohung entstand“. Hier unterstütze glücklicherweise die Familie. “Ein Winzer hat 1000 Berufe: in der Natur fit sein, im Büro, ich muss sensorisch fit sein, den Boden kennen, Mitarbeiter führen, Vermarktung, Vertrieb. Bisher ging es immer gut aus – mit Kraft der Familie”, so die Unternehmerin. Eva Vollmer ist in ihrem Weingut für die Kellerarbeit, den Ausbau der Weine sowie die geschmackliche Balance der Cuvées zuständig. Zudem führt sie die gesamte Organisation, leitet Marketing und Vertrieb, ist die Managerin des Betriebs. Ihr Mann zeichnet für die technische Arbeit in den Weinbergen verantwortlich. Die Handarbeit im Weinberg – beim Ökoweinbau eine sehr zeitintensive Arbeit – erledigt das Paar gemeinsam. Eine Cousine unterstützt das Unternehmen im Bestellwesen, ein Cousin ist Vollzeitkraft für Traktorarbeiten. Eva Vollmers Vater ist trotz seines Ruhestands noch sehr aktiv im Betrieb, ihre Mutter übernimmt die Betreuung der zwei kleinen Kinder.
EVa Vollmer. Die Zukunft.
2020 werden die Vollmers ihr erstes Bio-Getreide ernten. In fünf Jahren, so Eva Vollmer, werden Landwirtschaft und Weinbau ein gesundes, in sich geschlossenes, nachhaltiges landwirtschaftliches System sein, das Vorbild für andere sein kann. Das ist ein Meilenstein für einen Betrieb, der nicht nur profitabel ist, sondern alle natürlichen Kreisläufe integriert und respektiert, so die Winzerin. Darauf kann sie zu Recht stolz sein.
2020 hatte das Filmprojekt “Wein weinblich” Premiere, das Eva Vollmer und drei weitere Bio-Winzerinnen mit ihrer zukunftsweisenden Arbeit portraitiert. Wunderbar wäre es, so Eva Vollmer, wenn auch dieses Projekt, das bereits einen Publikumspreis erhielt, nicht nur die Wertschätzung des gesamten deutschen Weinbaus steigern würde, sondern auch die Kleinstruktur in landwirtschaftlichen Betrieben, die Menschen und Natur respektiert und gemeinsam mit Freude etwas Gutes erschafft. Ein Zukunftsmodell für uns alle in allen Bereichen, findet die Winzerin.
Eva Vollmer sieht sich und ihren Betrieb in den kommenden Jahren keinesfalls mit steigender Flächenzahl, sondern in einem gesunden System, das von wenigen Menschen am Leben erhalten werden kann. Sie arbeitet gerne mit Menschen zusammen, sieht aber sich und ihren Mann nicht als “klassische Führungskräfte”: “Wir haben nicht dieses Stress-Gen, um jetzt 6 Mann gleichzeitig zu kontrollieren”, so Eva Vollmer. Sie arbeiten mit anderen auf Vertrauensbasis zusammen. Das ist sicher eine wichtige Grundlage des Unternehmenserfolgs und ebenso zukunftsweisend.
Tipp für Gründer*innen.
Es muss einen Menschen geben, der im Unternehmen die “Zügel in der Hand hält”, findet Eva Vollmer. Wenn dieser Mensch selbst stark genug ist, das gut zu tun, dann ist das auch alles zu schaffen, meint sie. Stärke kommt für die Winzerin nicht nur aus der Person selbst, sondern auch aus einem guten Umfeld und Netzwerk, aus dem man “Stärke tanken kann. … Dauerhafte Kraft kommt nie nur im Alleingang, sondern auch von vertrauten Personen”. Deshalb hat für sie die eigene persönliche Weiterbildung Priorität – vor der fachlichen. Wenn die menschliche Entwicklung der Gründerin positiv ist, so Eva Vollmer, “kommt der Rest von alleine”.
Food + Wine-Pairing
von Eva Vollmer.
Eva Vollmer empfiehlt als Food + Wein-Pairing ihren Weißburgunder Gutswein trocken. Dazu serviert die Winzerin den typischen rheinhessischen Dip-Spundekäse: 1/2 Teil Schmand, 1/2 Teil Frischkäse, Pfeffer, Salz, edelsüßer Paprika und frische Laugenbrezeln.